Das ist ein Gastbeitrag vom Wrzlbrmft
Schöner, schneller, höher, weiter. Eigentlich haben wir uns alle daran gewöhnt, dass es in unserer schnelllebigen Medienwelt nur eine Richtung gibt: Vorwärts! Die Gemeinde Binningen BL zeigt nun, dass es ohne Not auch andersrum geht.
Anfang Jahr kündigte der Basel-Landschaftliche Provider interGGA seinen Kunden an, im Laufe des Jahres von seinem zwar fast rundum frei empfangbaren, aber bereits spürbar angestaubten Angebot im digitalen TV- und Radio-Angebot zu Quickline zu wechseln. Während das TV-Angebot bereits am 20. Mai 2014 umgestellt wurde, sollen auch die Internetdienste, die bislang noch vom Pratteler Provider ImproWare erbracht werden, auf Dezember hin vollumfänglich von Quickline übernommen werden.
Nachdem ich letzten Herbst von Basel-Stadt (UPC-Hoheitsgebiet) nach Binningen gezogen war, rieb ich mir erst mal verdutzt die Augen. Keinerlei deutsche Privatsender in HD und ein absolut lächerliches Pay-Angebot. Dafür brachte der Suchlauf glänzende Errungenschaften wie „SF zwei HD“ (sic!) hervor. Gross war freilich meine Freude, als ich im Frühling nun endlich wieder ein ordentliches – ja gar besseres – Angebot an HDTV- und Spartensendern vorfand. Zwar nicht mehr alles so FTA wie früher, aber mit 130 Programmen immer noch deutlich mehr als bei UPC Cablecom. Mittels Conax-Modul (ohne CI+!) und Smartcard lassen sich zusätzliche Programme inkl. der deutschen Privaten auch wie bis anhin ohne jede weitere Gängelung auf praktisch jedem Receiver oder DVB-C-tauglichen TV-Gerät nutzen, ganz im Gegensatz etwa zu UPC Cablecom oder Swisscom TV.
Nun, meine Freude wird nächsten Frühling wieder ein jähes Ende nehmen. Der übereifrige und schlagfertige BDP-Gemeinderat Urs-Peter Moos hat einen fast schon kongenialen Deal eingefädelt: Die Gemeinde wechselt voraussichtlich per 1. April 2015 wieder zurück zu ImproWare, die anstelle des Quickline-Signals ab dann auch das komplette TV- und Radioangebot zuliefern soll. Man wolle seinen Einwohnern auch in Zukunft günstiges Internet und ein breites unverschlüsseltes TV-Angebot bieten, was unter der aktuellen Zusammenarbeit mit interGGA nicht mehr möglich sei. Liest sich eigentlich ganz nett und bürgernah.
Was aber Moos wie auch der offenbar gleichgeschaltete Binninger Anzeiger verschweigen, das Angebot an HDTV-Programmen und digitalen Radiosendern wird massiv zusammengestrichen. Gleich 60 (!!!) von rund 100 HD-Programmen sowie 70 Radiosender (120, wenn man die MusicChoice-Channels dazu zählt) fallen weg. Ersatzlos rausgeschmissen werden auch die allermeisten Pay-TV-Sender, viele davon sind in der Schweiz auch via Satellit nicht empfangbar. Das künftige Angebot reduziert sich damit praktisch wieder auf das lausige Angebot vor der Umstellung (Sender der RTL- und ProSiebenSat.1-Gruppe sind mittlerweile immerhin in HD verfügbar, Comedy Central oder MTV aber z.B. nicht).
Ich höre bereits jetzt diverse Stimmen, die „sowieso kein Pay-TV nutzen“ und nicht einsehen, wieso sie für Internet unter Quickline plötzlich mehr zahlen sollten. Und hier liegt die Crux. Wurde den interGGA-Kunden zu Beginn versichert, für bestehende Abos entstünden keine Mehrkosten, zahlt man für die Quickline-Zusatzpakete Normalpreise ohne jede weitere Reduktion. Beim Internet ist zu erwarten, dass es ähnlich kommen wird. Die Kommunikation seitens interGGA war schlecht, viele Kunden sind also zurecht verärgert. Den Entscheid des Binninger Gemeinderats hat dies nur noch weiter befeuert hat. Leidtragende sind diejenigen, die sich nicht für SRF, ARD und RTL interessieren, dafür aber – wie ich – für Boomerang HD, TNT Serie HD, RCK.TV oder die rund 50 MusicChoice-Channels.
Nun werde ich also die vielen tollen neuen Programme ein knappes Jahr geniessen können, ehe sie mir im April wieder genommen werden. Dann wahrscheinlich für immer. Willkommen im Jahre 2015. Aber eigentlich ist das eben doch nur vollkommen bescheuert…
Ich kenne die Details zuwenig, aber so wie sich das hier liest ist der Deal mit Quickline auch nicht unumstritten: http://bazonline.ch/basel/land/Die-Seilschaften-der-InterGGA/story/15814901
Ja, der Artikel erschien kurz nachdem ich obigen Artikel verfasst hatte. Eigentlich ist es nur noch frustrierend, eine Kabelgesellschaft bornierter als die andere. Das Nachsehen hat in jedem Fall der Kunde, entweder in Form von teureren Internetabos oder einem nicht mehr zeitgemässen TV-Angebot.